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Re: [Bravegw-web] added issues 54, 55, 56, 57 (en)


From: Georg C. F. Greve
Subject: Re: [Bravegw-web] added issues 54, 55, 56, 57 (en)
Date: Wed, 21 Jan 2004 15:16:42 +0100
User-agent: Gnus/5.110002 (No Gnus v0.2) Emacs/21.3 (gnu/linux)

 || On Wed, 21 Jan 2004 14:09:40 +0100
 || marc0 <address@hidden> wrote: 

 marc0> Added issues 54, 55, 56, 57 (en).

Great, thanks a lot.

In case someone finds the time to put the German version into the
right form for the web page and put them online, issues 54-57 are
attached.

Regards,
Georg


Die monatliche GNU-Kolumne

Brave GNU World

von Georg C. F. Greve


Diese Kolumne berichtet aus der Perspektive von GNU-Projekt und FSF über Projekte und aktuelle Geschehnisse aus dem Umfeld Freier Software und versucht, Einblicke in die zugrundeliegende Philosophie zu vermitteln. In dieser Ausgabe: Simple Security Policy Editor (SSPE), UK Free Software Network (UKFSN), Freie Software und Wissenschaft.

Willkommen zu einer neuen Ausgabe der Brave GNU World. Zu Anfang soll ein ewiges Thema der Informationstechnologie zu seinem Recht kommen, die Sicherheit.

Simple Security Policy Editor (SSPE)

Der Simple Security Policy Editor (SSPE) [5] von Johannes Hubertz ist eine Netzwerk/Firewall-Lösung für GNU/Linux-Systeme basierend auf netfilter, [6] FreeS/WAN [7] und OpenSSL. [8] Primäre Zielgruppe sind vor allem Unternehmen, die ihre Filialen, Abteilungen oder Außenstellen per Internet miteinander vernetzt haben.

Begonnen hat Johannes Hubertz mit der Arbeit an SSPE im Dezember 2001, nachdem er vergeblich eine Lösung gesucht hat, die den Anforderungen seiner Firma entsprach.

Da sie mit "Kerckhoffs' Principle" vertraut waren und somit um den Unsinn von "security through obscurity" wußten -- siehe hierzu beispielsweise die Artikel von Bruce Schneier [9] -- kamen proprietäre, intransparente Systeme für sie nicht in Betracht. Es mußte also Freie Software sein, um überhaupt erwogen zu werden.

Zu den technischen Notwendigkeiten gehörte aber auch die Möglichkeit einer verteilten Administration über mehrere Maschinen, weshalb nach einiger Recherche beschlossen wurde, dass keine der bereits als Freie Software implementierten Lösungen Johannes wirklich das Problem löste. So fiel schließlich die Entscheidung, ein eigenes Projekt zu starten.

Für die Entwicklung wurde auf Perl und Bash-Shellskripte zurückgegriffen, da diese den meisten Administratoren vertraut sind und zudem auf allen GNU/Linux Distributionen problemlos einsetzbar sind.

Nach drei Monaten Entwicklung war das Projekt zur Einsatzreife herangewachsen und befindet sich seit März 2002 im Produktionseinsatz; mittlerweile bei 8 Standorten von zwei Firmen. Eine dritte Firma plant den Einsatz für mehrere hundert im Außeneinsatz befindliche Ingenieure. Tatsächlich hat das Projekt seit März 2003 keine größeren Änderungen mehr erfahren, kann also trotz der recht niedrigen Versionsnummer 0.1.7 durchaus als stabil betrachtet werden.

Es sind Johannes momentan keine besonderen Probleme bekannt, allerdings weist er darauf hin, dass das Projekt nicht für den Einsatz auf einem einzelnen Rechner konzipiert wurde und sich die Vorteile erst ab mehreren Rechnern wirklich bemerkbar machen. Ausserdem ist Erfahrung im Kompilieren von Linux-Kerneln und Grundwissen zur Netzwerksicherheit Voraussetzung für den Einsatz.

Bei der Distribution ist dem Anwender die völlige Freiheit gegeben. Er selber setzt es auf Debian GNU/Linux ein und weiss um den erfolgreichen Einsatz auf RedHat, aber es sollte problemlos auch auf anderen Distributionen verwendbar sein.

Zu den Vorteilen des Projekts zählt darüberhinaus, daß es erlaubt, die gesamte Netzwerkstruktur in wenigen Textfiles zentral zu verwalten, so wird das Hinzufügen neuer Außenstellen extrem einfach. Überhaupt zählen Flexibilität, Transparenz und Stabilität zu den vom Autor angeführten Vorteilen.

Ein weiterer Vorteil des Projekts ist in seinen Augen, dass er im März 2003 seine Vorgesetzten von der Veröffentlichung unter der GNU General Public License (GPL) überzeugen konnte, und daher auch die juristische Komponente des Projekts gesichert ist.

Somit steht einem breiten Einsatz eigentlich nichts im Wege. Und da ihm selbst die Zeit zur Weiterentwicklung über das Beheben von Fehlern hinaus fehlt, würde Johannes sich freuen, falls dieser Artikel Interesse am Einsatz und der weiteren Entwicklung geweckt haben sollte.

UK Free Software Network (UKFSN)

Ein Internet Service Provider (ISP) der besonderen Art ist das UK Free Software Network (UKFSN) [10] von Jason Clifford, denn das Ziel ist, mit Freier Software hochqualitative Internetleistungen von Einwahl über ADSL bis hin zu Webhosting zu soliden Preisen anzubieten und von den Gewinnen wieder Freie Software zu fördern.

Als Software für die wesentlichen Dienste kommen Apache als Web Server, Postfix und tpop3d für Email, sowie FreeRADIUS zur Einwahl-Authentifizierung zum Einsatz. Darüberhinaus setzt das Projekt stark auf MySQL. Das gesamte administrative System von der Einrichtung neuer Accounts bis hin zu den Wartungs-Skripten im Hintergrund wurde in Perl geschrieben.

Nach Angaben von Jason Clifford erhält UKFSN auch viel Lob für die angebotenen Leistungen. So wird Nutzern z.B. die Wahl zwischen Python, Perl und PHP für Skripte geboten -- und alle drei befinden sich in guter Benutzung. Ergänzt wird dieses vollständige CGI-Angebot durch den Zugriff auf MySQL als Datenbank, eine unbegrenzte Anzwahl von POP3 Mailboxen pro Domain und einfaches Account-Management per Web-Interface.

Als Bonbon steht denjenigen, die es benutzen möchten, auch noch ein Perl-Modul zur Anbindung an WorldPay zur Verfügung, über das Zahlungen per Kreditkarte, Handy oder auch Überweisung getätigt werden können. Nebenbei bemerkt ist dieses Modul auch unabhängig von UKFSN selbst als Freie Software unter der GNU General Public License (GPL) im CPAN verfügbar. Eine zusätzliche Implementation in PHP ist in Planung.

Eine aktuelle Erweiterungen, an der Jason arbeitet, ist die Möglichkeit, über "User Mode Linux" virtuelle GNU/Linux Server zur Verfügung zu stellen, damit Kunden auch ohne eigene Hardware einen Server unterhalten können. Die andere Erweiterung ist ein Spam- und Virus-Filter für Email, der von den Kunden entsprechend ihrer Bedürftnisse eingestellt werden kann. Beide Erweiterungen sollen gegen Ende September 2003 bereits zur Verfügung stehen.

Interessant ist an UKFSN auch die Anti-Spam Politik. Diese beruht darauf, dass in den Nutzungsbedingungen und Vereinbarungen eine Klausel enthalten ist, dass Nutzer sich damit einverstanden erklären, beim Verschicken von Spam eine zusätzliche Gebühr von 150 britischen Pfund pro Empfänger zu entrichten. Jason weiß bereits von mehreren potentiellen "Kunden", die sich aufgrund dieser Bedingungen lieber nach einem anderen Provider umgesehen haben.

So schützt UKFSN nicht nur eigene Kunden gegen Spam -- ein normales Angebot der meisten Provider -- es trägt auch aktiv dazu bei, die Menge der verschickten Spam-Mails insgesamt zu reduzieren. Angesichts der Tatsache, daß selbst die besten Spam-Filter die Anzahl der Spam-Emails zumeist nicht auf das gewünschte Maß ("Null") reduzieren, hoffe ich, dieses Beispiel wird in Zukunft Schule machen.

Seinen Ursprung nahm UKFSN, als Jason Clifford realisierte, dass die Freie Software Community weltweit einen großen Teil ihrer Zeit online verbringt und das Internet die wesentliche Arbeits- und Kommunikationsplattform darstellt. Da es -- nach seiner Aussage -- nicht weiter schwer ist, einen ISP zu betreiben, dachte er sich, ein solches Projekt könne Spaß machen.

Der erste Anlauf mit derselben Idee war zwar kommerziell sehr erfolgreich und ist zu einer festen Größte in den UK geworden, doch hat Jason die Firma enttäuscht verlassen, als er feststellen mußte, dass er keine Zahlungen in Richtung Freier Software entdecken konnte.

Nach einigem Hin und Her entschied er sich daher im Juli 2002 zu einem neuen Anlauf, hatte im September genug Anschubfinanzierung zusammen und stellte UKFSN offiziell bei der London Linux-Expo am 9. Oktober 2002 vor. Seither arbeitete er an der Verbesserung der Leistungen und dem Einwerben neuer Nutzer. Einen Sprung machte UKFSN im Juni 2003, als er auch ADSL-Breitband Zugang anbieten konnte. Auch die Hardware-Spende von Digital Networks UK in Form mehrerer Server hat ihn einen großen Schritt voran gebracht. So kommt es, dass UKFSN im August 2003 zum ersten Mal einen kleinen Profit gemacht hat.

Es steht also zu hoffen, daß UKFSN bald schwarze Zahlen schreiben wird und abzüglich einer kleinen Rücklage zur Verbesserung und Erweiterung der Leistungen wird dann der gesamte Profit zur Förderung Freier Software an die Association For Free Software (AFFS) [11], eine assoziierte Organisation der Free Software Foundation Europe (FSF Europe) [12] gespendet.

Da er bereits mit dem ersten Versuch bewiesen hat, dass ein ISP ein funktionierendes Modell zur Generierung von Geldern für die Förderung Freier Software ist, geht es ihm nun darum, zu zeigen, dass es auch möglich ist, diese Gelder tatsächlich für Freie Software zu verwenden. Um dies transparent zu gestalten, macht er unter Anderem die monatlichen Finanzen von UKFSN auf der Webpage [10] öffentlich.

Für die Zukunft sind also zwei Dinge zu hoffen. Zum Einen, dass Leser in den UK oder Reisende, die in den UK eine Internetverbindung benötigen, zu UKFSN wechseln, sofern sie dies nicht bereits getan haben. Und zum Anderen, dass dieses Modell Nachahmer in anderen Ländern finden wird.

Damit genug der Anregung in diesem Gebiet, mehr ist für den nächsten Monat geplant.

Freie Software in der Wissenschaft

Die Parallelen zwischen Wissenschaft und Freier Software wurden schon häufig diskutiert. Tatsächlich finden sich regelmäßig Hinweise darauf, wie die Prinzipien Freier Software denen der Wissenschaft ähneln.

Grundsätzlich ähneln sich Wissenschaft und Freie Software dahingehend, dass beide auf der Kooperation vieler Individuen aufbauen, die in Kooperation mehr schaffen, als jede(r) für sich hätte erreichen können. Schön hat dies Sir Isaac Newton ausgedrückt, als er sagte: "Wenn ich etwas weiter sah als andere, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stand."

Den Vorteil dieser Arbeit genießen dabei nicht nur die beteiligten Wissenschaftler oder Entwickler, sondern tatsächlich die gesamte Gesellschaft, wobei der Gesellschaftsbegriff hier bewusst auch die Wirtschaft mit einschliesst. Prägend ist, dass die Vorteile auch denen zur Verfügung stehen, die selber nicht zu ihnen beigetragen haben oder gar gegen sie ankämpften.

Soweit sind die Zusammenhänge relativ vielen Menschen mittlerweile klar. Allerdings gibt es noch eine andere, kaum beachtete Verbindung, die sich aus der wissenschaftlichen Methode ergibt.

Zur wissenschaftlichen Methode gehört, Theorien aufzustellen und diese durch Experimente zu untermauern. Wurde eine Theorie einmalig durch ein Experiment bestätigt, bringt jedes weitere erfolgreiche Experiment keinen weiteren Erkenntnisgewinn.

Anders ausgedrückt: Durch eine erfolgreiche experimentelle Bestätigung einer These gilt diese als wahr. Durch weitere Bestätigungen wird diese nicht "wahrer als wahr".

Anders liegt der Fall, wenn es gelingt, experimentell zu zeigen, dass die Theorie nicht stimmt, sie zu falsifizieren. In dem Fall ist die Theorie in ihrer bisherigen Form unwahr. Sie muß entweder aufgegeben oder überarbeitet werden -- unabhängig davon, wie viele Verifikationen vorher stattgefunden haben.

Eine einzige Falsifikation hebt beliebig viele Verifikationen auf. Die Falsifikation ist ein essentieller Teil des wissenschaftlichen Prozesses, ohne Falsifikation gibt es keine Wissenschaft.

Wo ist nun die Verbindung zu Freier Software?

Zunehmend wird Software zum Teil der Wissenschaft. Damit ist nicht gemeint, welcher Textprozessor zur Beschreibung der Ergebnisse verwendet wird. Vom Standpunkt der wissenschaftlichen Qualität der Ergebnisse nicht bedeutend, ob jemand seine Ergebnisse als ASCII Files oder in einem weit verbreiteten Office-Produkt schreibt.

Obwohl es in letztem Fall wahrscheinlich ist, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein Ausdruck als Quelle zur erneuten Eingabe dienen muss, da die aktuelle Version die alte Datei nicht oder nur unzureichend lesen kann.

Die Verbindung von Software zur wissenschaftlichen Methode entsteht vielmehr dann, wenn Experimente ganz oder zumindest teilweise in Software durchgeführt werden. Hier wird die Software zum Teil des wissenschaftlichen Prozesses und Ergebnisses.

Dabei ist jedem Entwickler klar, dass die Veröffentlichung des in einem Programm verwandten Algorithmus nicht ausreichend ist, um die Mittel zur Falsifizierung zu erhalten; die Implementation ist entscheidend wichtig und wird ebenfalls zum Ergebnis.

Proprietäre Software schafft also eine "Black Box". Diese kann man sich bildlich vorstellen als kleinen schwarzen Kasten mit Knopf und Lampe. Nun wird gesagt, ein bestimmtes Experiment werde durchgeführt, sobald eine Person den Knopf drückt.

Es stellt sich die Frage: Wird diese Person durch das Drücken des Knopfes und das Aufleuchten der Lampe einen Erkenntnisgewinn erreichen?

Spannend wird es, wenn eine zweite Person mit einem zweiten Kasten auftaucht, der behauptet, es werde dasselbe Experiment durchgeführt, doch bei diesem bleibt auf Knopfdruck die Lampe aus.

In keinem Fall besteht die Möglichkeit, das Ergebnis zu verifizieren oder zu falsifizieren, es beruht ausschließlich auf Glauben und Vertrauen. Dies legt ein interessantes Fazit nahe.

Proprietäre Software ist inkompatibel mit der wissenschaftlichen Methode!

Dazu gesellen sich noch andere Schwierigkeiten. So ist beispielsweise auch der Weg, die Entwicklung einer Disziplin der Wissenschaft Teil des kulturellen Erbes der Menschheit und birgt unter Umständen wichtige Indizien für zukünftige Generationen. Ergebnisse dürfen nicht zeitabhängig sein.

Wer heute ein Experiment beispielsweise von Leonardo da Vinci wiederholen möchte, kann dies ohne größere Probleme tun.

Vorausgesetzt, die Software läßt sich noch finden und wanderte nicht -- wie so oft üblich -- nach 10 Jahren in ihrer letzten Kopie in den Abfall. Wie hoch stehen aber die Chancen, dass ein auf proprietärer Software basierendes Experiment, welches auf eine bestimmte Hardware und Software in bestimmten Versionen angewiesen ist, sich wiederholen läßt?

Diese Wahrscheinlichkeit tendiert offensichtlich sehr schnell stark gegen null, speziell, wenn in Maßstäben von Generationen gedacht wird.

Nur Freie Software mit ihrer Freiheit zur Portierung auf beliebige Plattformen erlaubt wirklich, die damals gemachten Experimente und damit auch möglichen guten oder nicht so guten Gedanken nachzuvollziehen.

Damit trägt Freie Software stark zur Archivierung der wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklung der Menschheit bei, sie erlaubt die Bewahrung des Weges, der uns zum heutigen Punkt geführt hat.

Es wird schnell klar, dass die Verbindung zwischen Freier Software und Wissenschaft eine sehr viel intensivere ist, als es zunächst schien. Außerdem zeigt sich hier die Verbindung zu den sozialen und kulturellen Aspekten, die die Menschheit zusammenhalten.

Doch damit genug der Gedanken zu diesem Thema für den Moment.

Bis zum nächsten Mal

Vor dem Autor dieser Kolumne liegt nun ein recht anstrengender Monat mit UN-Konferenz zur Informationsgesellschaft in Genf, sowie Vorträgen in Madrid, Bern und Zürich.

Doch da ich per Laptop erreichbar sein werde, höre ich natürlich gerne, was Ihr zu sagen habt. Besonders spannend sind für mich dabei die kleinen Projekte, die oft nicht zur Kenntnis genommen werden, sowie persönliche Initiativen von Menschen der Freien Software.

Ich würde mich also freuen, per Email zahlreiche Anregungen und Kommentare zu erhalten -- wie immer an die übliche Adresse. [1]

Infos

[1] Ideen, Anregungen, Kommentare an die Brave GNU World: address@hidden
[2] Homepage des GNU-Projektes: http://www.gnu.org/
[3] Homepage von Georg's Brave GNU World: http://brave-gnu-world.org
[4] "We run GNU" Initiative: http://www.gnu.org/brave-gnu-world/rungnu/rungnu.de.html
[5] Simple Security Policy Editor (SSPE) Homepage: http://sspe.sf.net
[6] Netfilter Homepage: http://www.netfilter.org
[7] FreeSwan Homepage: http://www.freeswan.org
[8] OpenSSL Homepage: http://www.openssl.org
[9] Bruce Schneier: "Secrecy, Security, and Obscurity": http://www.counterpane.com/crypto-gram-0205.html
[10] UK Free Software Network (UKFSN) Homepage: http://www.ukfsn.org
[11] Association For Free Software (AFFS) Homepage: http://www.affs.org.uk
[12] Free Software Foundation Europe (FSF Europe) Homepage: http://www.germany.fsfeurope.org

Der Autor

[Ein Foto von Georg Greve] Dipl.-Phys. Georg C. F. Greve beschäftigt sich seit etlichen Jahren mit Freier Software und kam früh zu GNU/Linux. Nach Mitarbeit im GNU-Projekt und seiner Aktivität als dessen europäischer Sprecher hat er die Free Software Foundation Europe initiiert, deren Präsident er ist. Mehr Informationen finden sich unter http://gnuhh.org.

Copyright (C) 2003 Georg C. F. Greve and Linux-Magazin

Permission is granted to make and distribute verbatim copies of this transcript as long as the copyright and this permission notice appear.

Die monatliche GNU-Kolumne

Brave GNU World

von Georg C. F. Greve


Diese Kolumne berichtet aus der Perspektive von GNU-Projekt und FSF über Projekte und aktuelle Geschehnisse aus dem Umfeld Freier Software und versucht, Einblicke in die zugrundeliegende Philosophie zu vermitteln. In dieser Ausgabe: Freie Dokumentation, GNU Press, Green Tea Press, Network Theory, Andere Verlage, Kopieren vs. Erzeugen?, Gleichmacherei als Problem, GNU Free Documentation License (GFDL), Bookzilla.de.

Willkommen zu einer neuen Ausgabe der Brave GNU World -- diesmal mit einem Schwerpunkt auf freier Dokumentation, Verlagen für Freie Bücher und dem größeren Bild dazu.

Freie Dokumentation

Über die Bedeutung Freier Software wurde in dieser Kolumne ja bereits viel geschrieben. Allerdings kann der Transfer von Wissen nicht alleine durch Quellcode geschehen, da die Umsetzung von Konzepten und Wissen in Software ein verlustbehafteter Prozeß ist. Es geht beim Programmieren zwangsweise Information verloren, die sich aus dem Programmcode nicht wieder gewinnen läßt.

In Abhängigkeit von der Komplexität des Programms oder Problems ist das Studium des Sourcecodes daher ein ineffizienter bis aussichtsloser Versuch, Verständnis für die Funktionsweise oder Benutzung des eines Programms zu erlangen. Beide sind jedoch essentielle Freiheiten Freier Software.

Technische Dokumentation ist eine sehr viel effizientere Form der Übermittlung dieser Information, in der grundsätzlich sich auch die Hintergründe vermitteln lassen, die bei der Umsetzung in Sourcecode verloren gehen. So kann es kaum überraschen, daß das Konzept Freier Dokumentation eng mit Freier Software verwoben ist. [5]

Tatsächlich ist Freie Dokumentation wesentlich für Freie Software. So ist es zwar grundsätzlich so, daß zumindest Verständnis für Funktionsweise und Benutzung auch durch proprietäre Dokumentation vermittelt werden können, doch wird die Freiheit der Weitergabe durch diese bereits stark eingeschränkt: Die Software kann nur ohne Dokumentation weitergegeben werden -- mit den gerade beschriebenen Nachteilen für den Empfänger.

Noch stärker wird die Freiheit der Modifikation beschränkt, da unfreie Dokumentation es nicht erlaubt, die Dokumentation entsprechend der Software weiterzuentwickeln. Dies führt zu Verständnis- und Benutzungsschwierigkeiten bei späteren Benutzern und erschwert zudem die weitere Entwicklung, da auch spätere Autoren zunächst durch Studium des Sourcecodes herausfinden müssen, wie weit sich das Programm bereits von der Dokumentation entfernt hat.

Es ist also effektiv der Fall, daß unfreie Dokumentation ebenso wie unfreie Software durch mangelnde Wartungsmöglichkeiten schnell an Nützlichkeit verliert.

Hinzu kommt, daß proprietäre Dokumentation Freier Software die durch Freie Software gewonnene Chancen- und Zugangsgleichheit wieder relativiert, denn die Lizenzkosten westlicher Länder können sich Schüler und Studenten in ärmeren Gegenden oft nicht leisten.

Freie Dokumentation spielt also eine wichtige Rolle dabei, die Freiheit der Menschen im Informationszeitalter nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität zu erhalten.

GNU Press

GNU Press [6] ist die Verlagsprojekt der Free Software Foundation (FSF) als Ergänzung zum GNU Projekt, dessen Förderung alle Erlöse aus GNU Press zugute kommen. Erklärtes Ziel von GNU Press ist, erschwingliche Informatik-Bücher unter freien Lizenzen für Dokumentation [7] herauszubringen.

Geleitet wird GNU Press übrigens von Lisa "Opus" Goldstein, einer langjährigen Akitivistin Freier Software, die die Free Software Foundation noch aus ihren Anfangsjahren kennt und sich um das Büro der FSF in Boston kümmert.

Green Tea Press

Ein weiterer -- im Moment noch sehr kleiner -- Verlag für Freie Bücher ist Green Tea Press [8] von Allen B. Downey und Lisa Cutler. Der Verlag wurde gegründet, um das Buch, "How To Think Like a Computer Scientist: Learning with Python" herauszugeben, von dem es auch eine Java und eine C++ Variante gibt.

Neu im Sortiment ist das Buch "Learning Perl the Hard Way" und es steht zu hoffen, daß dies nicht das letzte Buch von Green Tea Press sein wird. Dies wird aber wesentlich auch an den Lesern liegen.

So beschreibt Allan Downey fünf einfache Maßnahmen, [9] mit denen Leser Freie Bücher fördern können -- dies beginnt mit dem Verlinken der Webseite und Bücher. Ein weiterer Schritt ist die Föderung des Aufbaus von Vertriebskanälen durch Anfragen bei lokalen Buchhändlern und den großen Versandhäusern. Und schließlich können durch gezielte Empfehlung an Bibliotheken und Lehrer die Bücher weitere Verbreitung finden.

Network Theory

Und schließlich sei noch Network Theory [10] von Brian Gough erwähnt, ohne den es diese Schwerpunktausgabe vielleicht nicht gegeben hätte, denn er war es, der anregte, über Freie Dokumentation und die damit arbeitenden Verlage zu schreiben.

Gegründet wurde Network Theory vor zwei Jahren aus der Erkenntnis heraus, daß die Bewahrung der Freiheit Freier Software auch Freie Dokumentation erfordert und Brian Gough hatte zu diesem Zeitpunkt gerade das "GNU Scientific Library Reference Manual" fertiggestellt.

Da dies zum Ausdrucken zu umfangreich war und sich in seinem Büro Ausdrucke von anderen Handbüchern stapelten, beschloß er, auf seine in einem früheren Job gesammelten Erfahrungen zurückzugreifen und gründete Network Theory, mit dem diese ersten Handbücher herausgegeben wurden.

Mittlerweile wurden bereits 7 Titel herausgegeben, zu denen u.A. auch das offizielle CVS-Handbuch gehört, und weitere 5 befinden sich in der Vorbereitung. Außerdem werden von den Einnahmen nicht nur freie Softwareprojekte und Organisationen wie die Free Software Foundation gefördert, es werden auch gezielt Autoren für die Erstellung weiterer Freier Bücher bezahlt.

So wurden die beiden neuen, voraussichtlich ab November 2003 verfügbaren Titel, "An Introduction to GCC and G++" und "An Introduction to GNU Bash" durch Network Theory finanziert und werden unter der GNU Free Documentation License (GFDL) herausgegeben.

Der beste Weg, Freie Dokumentation zu unterstützen ist auch laut Brian, zum treuen Kunden zu werden und die Firmen und Bibliotheken dazu zu ermuntern, Exemplare der Bücher anzuschaffen.

Natrülich hat er auch großes Interesse daran, zu erfahren, für welche Bücher Bedarf besteht und von Autoren kontaktiert zu werden, die gerne Freie Bücher veröffentlichen möchten.

Andere Verlage

Auch in anderen, traditionelleren Verlagen wird Freie Dokumentation zunehmend ein Thema und speziell auf Anforderung der Autoren akzeptiert. So hat beispielsweise O'Reilly and Associates mittlerweile mehrere Freie Bücher im Angebot. Eine Liste weiterer Freier Bücher findet sich beispielsweise online. [12]

Selbst Verlage wie der deutsche Springer Verlag zeigen erste Bewegung in diese Richtung -- so hat beispielsweise Peter Ganten für sein Debian GNU/Linux Buch die Möglichkeit der kostenfreien, digitalen Verbreitung vorgesehen. Dies erlaubt zwar nicht die Veränderung und auch nicht den Nachdruck -- und ist damit eindeutig unfrei -- allerdings stellt es einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar.

Speziell die Freiheit des Nachdrucks läßt natürlich jeden traditionellen Verlag zunächst instinktiv in Verteidigungshaltung erstarren -- aus verständlichem Grund.

Kopieren vs. Erzeugen?

Der Gedankengang verläuft dabei in etwa so: Kann ein Verlag ein Buch nachdrucken und verkaufen, ohne Autoren, Lektoren und Setzer beschäftigen zu müssen, wird dieses Buch vermutlich deutlich günstiger sein und demzufolge das ursprüngliche Buch vom Markt drängen.

Das Ergebnis ist eine negative Auslese, bei dem im Extremfall nur die Nachdrucker überleben und damit zu irgendeinem Zeitpunkt keine neuen Bücher mehr geschrieben werden.

Es gibt allerdings mehrere Gründe, warum dies eine starke Übertreibung ist.

Zunächst einmal sind Menschen zu allen Zeiten kreativ gewesen und es gibt keinen Grund, anzunehmen, dies würde sich grundlegend ändern. Natürlich stellt auch die finanzielle Belohnung eine Triebfeder dar, allerdings sind die aus rein finanziellen Erwägungen entstandenen kreativen Leistungen häufig diejenigen, die als Ursache des kulturellen Verfalls identifiziert werden.

Weniger massenkompatible Werke hingegen erlauben auch heute ihren Autoren nicht, von ihnen zu leben, widerlegen also praktisch den "Ohne Verwertungsrechte keine Kreation"-Mythos, der so gerne zur Ausweitung der Wissensmonopolisierung herangezogen wird.

Hinzu kommt, daß bei globaler Vernetzung und den Möglichkeiten eines globalen, dezentralen Vertriebs über verschiedenste Kanäle ein Nachdruck das Original auch bei geringerem Preis niemals vollständig verdrängen wird. In vielen Fällen steht tatsächlich zu erwarten, daß von Buchhändlern und Vertriebskanälen aus Kenntnis um die Zusammenhänge das Original weiterhin bevorzugt behandelt wird.

Darüberhinaus kann der Nachdruck eine gesellschaftlich sehr sinnvolle Tätigkeit sein -- wenn beispielsweise das Buch nicht mehr lieferbar ist und der ursprüngliche Verlag eine Neuauflage aus diversen Gründen nicht in Erwägung zieht. In diesem Fall würde dem ursprünglichen Verlag kein unzumutbarer Nachteil entstehen, da er selbst beschlossen hat, den Bedarf zu ignorieren.

Dennoch ist die obige Überlegung über den gesellschaftlich schädlichen Effekt von reiner Nachdruckerei natürlich nicht vollständig von der Hand zu weisen.

Rein pragamatisch wäre die beste Lösung also eine, bei der die Freiheit der Leser nicht eingeschränkt wird, gesellschaftlich sinnvolles Nachdrucken möglich und gesellschaftlich schädliches Nachdrucken gleichzeitig erschwert würde.

Gleichmacherei als Problem

Interessanterweise waren es Überlegungen wie diese -- wenn auch auf deutlich einfacherem Niveau und mit anderen Rahmenbedingungen -- die um 1476 zur Entstehung des Copyright, bzw. des späteren Urheberrechts führten.

Dabei wurde das Copyright als rein industrielle Regelung zwischen Verlegern eingeführt, um die Frage des Nachdruckens zu regeln. Autoren konnten erst ab 1710 überhaupt Rechte an ihren Werken erwerben, bei Erschaffung des Systems wurde dies weder geplant noch bedacht.

Leider hat sich momentan eine Geisteshaltung etabliert, die den ursprünglichen Sinn des Systems -- die gesellschaftlich sinnvolle Förderung intellektueller Kreativität -- durch ein reines Anspruchs- und Besitzdenken ersetzt. Zugriffsbeschränkung auf und Monopolisierung von Wissen und Kultur wird zum Selbstzweck erhoben.

Dazu trägt auch maßgeblich der Begriff des "geistigen Eigentums" bei, der trotz seiner offensichtlichen Sinnfreiheit -- denn was kann es bedeuten, einen Gedanken zu besitzen -- nicht mehr hinterfragt wird und viele unterschiedliche Fragen über einen Kamm zu scheren sucht. Dazu zählen Copyrights und Patente ebenso wie Marken und Geschäftsmethoden. Jedes für sich ein sehr komplexes Gebiet und eigentlich der differenzierten Betrachtung würdig.

Tatsächlich wäre es gesellschaftlich sinnvoll, die einzelnen Gebiete für sich unter die Lupe zu nehmen, denn -- um zum Copyright bzw. Urheberrecht zurückzukehren -- wozu benötigt beispielsweise die Gebrauchsanleitung einer Waschmaschine eine Schutzfrist bis zu 70 Jahren nach Tod ihres Autors? Bei allem Vertrauen in deutsche Ingenieurskunst kann wohl davon ausgegangen werden, daß nur wenige heutige Waschmaschinen in 100 Jahren noch in Betrieb sein werden.

Darüberhinaus enthalten technische Anleitungen allgemein weniger rein künstlerischen Ausdruck als beispielsweise ein Gedichtband. Es ist eine offensichtliche Schwäche des Systems, daß beide völlig gleich betrachtet und behandelt werden.

So lange das System jedoch nicht überarbeitet wird, muß Freie Dokumentation sich dieser Schwächen bewußt sein. Die Lizenzen müssen bestrebt sein, die Balance wiederherzustellen, die dem System selbst abhanden gekommen ist.

GNU Free Documentation License (GFDL)

Einen Versuch, ein solches Gleichgewicht zu finden, stellt die GNU Free Documentation License (GFDL) [11] der Free Software Foundation dar.

Identische Nachdrucke können beispielsweise dadurch unterbunden werden, daß Möglichkeiten vorhanden sind, Titel und Rückentext zu spezifizieren, der ohne Einverständnis des ursprünglichen Herausgebers nicht identisch reproduziert werden kann, bei späteren Versionen aber in einer gekennzeichneten "History" Sektion auftauchen muß.

So werden Nachdrucke durch einen unterschiedlichen Titel kenntlich und der Leser über die ursprüngliche Version informiert. Gleichzeitig wird die Möglichkeit geschützt, das Wissen eines Buches inklusive seiner Geschichte weiterzuentwickeln und weiterzugeben.

Zudem ist es möglich, sekundäre Sektionen zu spezifizieren, die sich mit dem Verhältnis zwischen Autor, Herausgeber und/oder dem generellen Kontext beschäftigen. Diese können auch, um eventuelle künstlerische, persönliche oder auch politische Äußerungen eines Autors vor Verfremdung zu bewahren, als "invariant" gekennzeichnet und damit von der Erlaubnis zur Modifikation ausgenommen werden.

Natürlich kann diese Invarianz gerade bei technischer Dokumentation zum Problem werden, wenn sie gedankenlos oder übertrieben angewandt wird, da sie allen späteren Versionen zur Auflage macht, diese Sektionen nicht zu verändern -- was auch bedeutet, sie nicht zu entfernen.

Wie beispielsweise im Debian Projekt ausgiebig diskutiert, kann dies zu spürbaren praktischen Behinderungen führen, da invariante Sektionen auch jede Kurzversion eines Handbuchs begleiten müssen und beim Zusammenfassen zweier Handbücher müßten die invarianten Sektionen beider Handbücher mit aufgenommen werden.

Manchmal bedeuten Einschränkungen der absoluten Freiheit insgesamt einen Gewinn an Freiheit für die Mehrheit -- so wie beispielsweise die GNU General Public License (GPL) die Gewährung der Freiheiten daran knüpft, diese anderen nicht vorzuenthalten.

Es zählt wohl zum Bereich der persönlichen Freiheit, wenn ein Autor seine Werke nur verfügbar macht unter der Voraussetzung, daß auch seine begleitenden Äußerungen unverändert weitergegeben werden.

Allerdings sollten sich Autoren sehr gut überlegen, ob diese Äußerungen wirklich zwingend diesem Dokument als invariante Sektionen beiliegen müssen. Der Versuch des Aufzwingens von Meinungen war in der Vergangenheit selten erfolgreich und wie die Diskussionen im Debian-Projekt zeigen, ist die Akzeptanz für solche Maßnahmen gering. Mit dem Ergebnis, daß die Dokumentation insgesamt eine sehr viel geringere Verbreitung erfährt.

Auch aus diesem Grund definiert die GNU Free Documentation License standardmäßig keine Titel und invarianten Sektionen. Und auch wenn sie die Möglichkeiten hierfür vorsieht, verzichtet beispielsweise Network Theory bei einigen Büchern vollständig darauf, derartige Sektionen zu definieren.

Ähnlich der GNU General Public License und GNU Lesser General Public License sieht die GNU Free Documentation License auch vor, daß Empfängerinnen eines Freien Dokuments einerseits über die ihnen gewährten Freiheiten informiert werden und ihnen andererseits auch die Möglichkeiten zu geben, diese auch wahrzunehmen.

Auch wenn dies manchmal aufgrund des recht langen Lizenztextes recht unpraktisch erscheinen mag, ist es wesentlich, um die Freiheit nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität zu gewinnen.

Damit genug zu Freier Dokumentation und zu einer Initiative aus der eher traditionellen Ecke, bei der es möglich ist, Freie Software durch das Lesen von Büchern -- frei oder unfrei -- zu fördern.

Bookzilla.de

Die hamburger Firma freiheit.com technologies gmbh hat im Auftrag der Libri.de GmbH, der Online-Tochter des LIBRI Firmenverbunds, das neue Shopping-Portal fertiggestellt. Der Buch-Großhändler LIBRI beliefert über 4.000 Buchhändler deutschlandweit ebenso wie virtuelle Shops bzw. Internet-Buchläden.

Buchläden können sich jetzt als Partner registieren und damit auch von Internet-Bestellungen über Libri.de profitieren. Zudem erlaubt das neue Konzept die Einrichtung sogenannter Affiliate-Shops, die mittels Anpassungen an Thema und einigen Teilen der Webseite als eigener Internet-Buchladen auf das komplette Angebot von Libri.de zurückgreifen können.

Einen solchen Affiliate-Shop hat freiheit.com unter dem Namen Bookzilla.de [13] eingerichtet mit dem Ziel, so die Arbeit der FSF Europe zugunsten Freier Software zu unterstützen -- die gesamte Verkaufsprovision für jedes über Bookzilla.de bestellte Buch geht als Spende an die FSF Europe. [14]

Neben dem Ansatz von UKFSN in der letzten Ausgabe, über die Wahl des ISPs Freie Software zu fördern, stellt dies eine weitere interessante Möglichkeit dar, Freie Software indirekt zu unterstützen.

Genug

Damit genug für diese Ausgabe. Es gäbe eigentlich noch Neues vom World Summit on the Information Society (WSIS) zu berichten, doch das würde jetzt zu weit führen. Informationen dazu finden sich im Zweifelsfall über die FSF Europe Projektseite dazu. [15]

Daher bleibt nur, einen guten Monat zu wünschen und wie immer um zahlreiche Fragen, Kommentare, Ideen, Anregungen und vor allem auch Projektvorschläge zu bitten, die an die übliche Adresse geschickt werden können. [1]

Darüberhinaus sei noch auf die neu eingerichteten Mailinglisten [16] verwiesen, über die Freiwillige sich in die Brave GNU World einbringen können -- vor allem bei Übersetzungen und Webseiten. Ohne die Hilfe von so vielen Menschen wäre die Brave GNU World in ihrer heutigen Form nicht möglich.

Bis zum nächsten Mal.

Infos

[1] Ideen, Anregungen, Kommentare an die Brave GNU World: address@hidden
[2] Homepage des GNU-Projektes: http://www.gnu.org/
[3] Homepage von Georg's Brave GNU World: http://brave-gnu-world.org
[4] "We run GNU" Initiative: http://www.gnu.org/brave-gnu-world/rungnu/rungnu.de.html
[5] Freie Software und freie Handbücher: http://www.gnu.org/philosophy/free-doc.de.html
[6] GNU Press: http://www.gnupress.org
[7] Freie Dokumentationslizenzen: http://www.gnu.org/philosophy/license-list.html#FreeDocumentationLicenses
[8] Green Tea Press: http://www.greenteapress.com
[9] "Five Easy Things You Can Do To Help Promote Free Books" http://www.greenteapress.com/easy.html
[10] Network Theory Ltd: http://www.network-theory.co.uk
[11] GNU Free Documentation License: http://www.gnu.org/licenses/fdl.html
[12] Non-GNU Free Books: http://www.gnu.org/doc/other-free-books.html
[13] Bookzilla.de: http://www.bookzilla.de
[14] Free Software Foundation Europe: http://www.germany.fsfeurope.org
[15] FSF Europe - WSIS: http://www.germany.fsfeurope.org/projects/wsis/
[16] Brave GNU World Mailinglisten: http://savannah.gnu.org/mail/?group=bravegw

Der Autor

[Ein Foto von Georg Greve] Dipl.-Phys. Georg C. F. Greve beschäftigt sich seit etlichen Jahren mit Freier Software und kam früh zu GNU/Linux. Nach Mitarbeit im GNU-Projekt und seiner Aktivität als dessen europäischer Sprecher hat er die Free Software Foundation Europe initiiert, deren Präsident er ist. Mehr Informationen finden sich unter http://gnuhh.org.

Copyright (C) 2003 Georg C. F. Greve and Linux-Magazin

Permission is granted to make and distribute verbatim copies of this transcript as long as the copyright and this permission notice appear.

Die monatliche GNU-Kolumne

Brave GNU World

von Georg C. F. Greve


Diese Kolumne berichtet aus der Perspektive von GNU-Projekt und FSF über Projekte und aktuelle Geschehnisse aus dem Umfeld Freier Software und versucht, Einblicke in die zugrundeliegende Philosophie zu vermitteln. In dieser Ausgabe: Screenhack, Hilferuf aus Bangladesch, Finanzdatenbank in Bangladesch, UNO-Gipfel zur Informationsgesellschaft, Begrenzte Geistige Monopole.

Willkommen zu einer weiteren Ausgabe der Brave GNU World. Diesen Monat aus dem Zug von Zürich nach Lausanne vor der PrepComIIIa, doch dazu später mehr. Begonnen werden soll diese Ausgabe mit einem spannenden Projekt für Filmfreaks.

Screenhack

Screenhack [5] wurde im Jahr 2000 von Michael Wouters begonnen, der die Betreuung dann an Artur Skura abtrat, um selber mit der Arbeit an einer Version mit grafischer Oberfläche zu arbeiten. Ein Projekt ohne grafische Oberfläche für Filmfreaks? Ja, so ist es.

Es handelt sich bei Screenhack um ein Kommandozeilenwerkzeug für Unix und Windows, mit dem Animationen erstellt werden können. Als Solches wird es üblicherweise in einer Kette von Werzeugen zwischen Modellierer und Renderer eingesetzt.

Die meisten anderen Projekte zur Modellierung, beispielsweise Ayam3D oder der Moonlight Creator, geben nur RenderMan Files aus, erlauben aber keine Animationen. Diese Lücke wollte Michael Wouters mit Screenhack schließen, damit Anwender der 3D Modellierung auch Animationen machen könnten.

RenderMan [6] selber ist ein Standard-Format für realistische Animationen und wird laut Aussage von Artur auch in High-Budget Filmen professionell eingesetzt. Daher ist das Ausgabeformat von Screenhack ebenfalls RenderMan und kann dann in beliebig hoher Qualität mit Hilfe eines Rendering-Programms in den eigentlichen Film umgewandelt werden. Das beste freie RenderMan Rendering-Programm ist nach Meinung von Artur Skura übrigens Aqsis. [7]

Die Zielgruppe von Screenhack ist daher auch jede, die einen Film mit Animation machen möchte. Oder wie Artur schrieb: "Man stelle sich vor, man drehe einen Werbefilm."

Diese Aufgabe erledigt Screenhack denn auch sehr zuverlässig und solide, wenn man nicht auf eine grafische Benutzeroberfläche zurückgreifen möchte. Räumliches Vorstellungsvermögen und das Arbeiten mit 3D-Modellierung stellen also im Moment noch Voraussetzungen zum vollen Einsatz von Screenhack dar.

Dafür hat es aber die Vorteile eines Kommandozeilenwerkzeugs speziell den Einsatz in Skripten. Das elaubt zum Beispiel die Erstellung von ganzen Flotten von Raumschiffen, die als Schwarm mit leicht unterschiedlichen Flugmustern im Raum unterwegs sind. Oder auch ganze Herden von GNUs, die über die Savannah streifen.

Geschrieben wurde Screenhack übrigens in C, läuft ursprünglich auf GNU/Linux und anderen unixartigen Systemen, es gibt aber auch eine Windows-Portierung. Veröffentlicht wird es als Freie Software unter der GNU General Public License (GPL).

Die Entwicklung ist nach Ansicht von Artur übrigens im Wesentlichen abgeschlossen, da er die gesunde Ansicht vertritt, man solle Unix-Tools nicht überfrachten. Allerdings könnte man Screenhack gut noch ein paar weitere Hilfsmittel zur Seite stellen.

Beispielsweise ein Werkzeug, mit dem ein Einzelbild (Frame) zwischen zwei anderen Frames eingefügt werden kann. Das müßte nicht zwingend von Screenhack gemacht werden, wäre aber sehr nützlich. Wer mitmachen möchte, ist auf jeden Fall herzlich willkommen.

Hilferuf aus Bangladesch

Von Kim Neunert erreichte mich ein Hilferuf aus Bangladesch. Kim absolviert dort in der Nähe der Hauptstadt Dhaka ein dreimonatiges Stipendium der ASA [8] als erster "Computer-Freiwilliger" bei einer Nichtregierungsorganisation namens "Centre for the rehabilitation of the paralysed" (CRP) [9], dem einzigen Zentrum seiner Art in Bangladesch.

Die Situation, die er schildert, sieht nicht gut aus. Im Gegensatz zu Indien ist Bangladesch technisch wohl noch sehr schwach entwickelt, nur die Hauptstadt Dhaka hat überhaupt nennenswerten Technikeinsatz und wird täglich von Stromausfällen geplagt, wobei die Rechner, die es gibt, zu 99% mit Windows 98 laufen.

Dennoch gibt es bereits seit 1999 eine GNU/Linux User Group, [10] die sich auch im realen Raum trifft und ihr nächstes Treffen Mitte Dezember 2003 abhalten wird. Über die Mailinglist laufen in etwa 5-15 Nachrichten pro Tag, wobei sich die meisten Fragen auf konkrete Hilfe mit Problemen und bei der Beschaffung von Distributionen beziehen.

Es gibt jedoch auch zunehmend Entwicklungsaktivitäten, die Bangladesch zugute kommen, auch wenn diese zumeist im bengalisch sprechenden Teil von Indien stattfinden. So gibt es beispielsweise ein Projekt für freie bengalische Zeichensätze [11] oder auch ein Projekt, um eine LIVE-CD auf Basis von Morphix mit bengalischem GNOME und Man-pages usw. zu erstellen. [12]

Im Bezug auf die politischen, strategischen und volkswirtschaftlichen Fragen Freier Software scheint in Bangladesch noch recht wenig Wissen verbreitet zu sein. So schildert Kim beispielsweise, daß seine Argumentation zwar durchaus nachvollzogen werden kann, bei den Betreffenden aber scheinbar keinen Handlungsbedarf weckt.

Es gibt allerdings erste Schritte auch in diese Richtung, so erschien 2002 in einer bengalischen Tageszeitung der Artikel "How Microsoft will kill Bangladesh (unless Linux saves us)" und es gibt die ersten politisch motivierten Artikel zum Thema, [13] die immerhin anzeigen, daß die geistige Auseinandersetzung mit dem Thema beginnt.

Finanzdatenbank in Bangladesch

Zurück zu dem konkreten Fall von Kim. Er hat vor Ort eine recht verkorkste Finanzdatenbank vorgefunden, die auf der Einzelinstallation eines proprietären Produkts ohne Installationsdisk basiert. Den Hersteller der Lösung gibt es schon lange nicht mehr. Das Problem dieser Situation wurde ihnen allerdings erst klar, als Kim ihnen klar machte, daß er die Datenbank daher nicht an ihre neuen Erfordernisse anpassen kann.

Zudem stolperte er in die Testphase einer großen Datenbank für medizinische Forschung hinein, bei der trotz Erwähnung von MySQL im Angebot eine proprietäre Datenbank um Einsatz kam, weil wohl zumindest der betroffene Systemanalyst mehrere Microsoft Schulungen im Ausland besucht hatte. Interessanterweise wurde dabei auch nur das Frontend ohne Backend verkauft.

Leider ist es Kim nicht gelungen, die Verantwortlichen davon zu überzeugen, die bereits getätigten Ausgaben für die medizinische Datenbank abzuschreiben und eine zukunftsweisende Lösung anzustreben. Daß die Folgekosten nur noch steigen, scheint ihnen nicht klar. Erfahrungsgemäß gibt es dann aber auch noch andere Gründe, wenn z.B. der Ruf oder gar Job des Einen oder Anderen an diesem Projekt hängen.

Bei der Finanzdatenbank besteht allerdings in jedem Fall konkreter Handungsbedarf. Daher ist Kim hier dabei, die Initiative zu ergreifen, denn sein Ziel ist, die Organisation davor zu bewahren, sich auf Jahre hinaus an eine bestimmte proprietäre Technologie zu binden. Nicht nur ist er dabei, Ihnen die vorhandene proprietäre Lösung zu dokumentieren, er will sie vor allem anhand der vorhandenen Struktur auf LAMP basierend reimplementieren.

Damit hat er vor Kurzem angefangen und sucht schnell und für einen begrenzten Zeitraum Freiwillige, die ihm dabei helfen möchten.

Momentan ist das Projekt noch prä-Alpha Stadium, wobei er auf Teilen des Basiscodes von GCDB [14] aufbaut und die Tabellenstruktur bereits durch den unfreien Vorgänger festgelegt ist. Die Lizenz seiner Wahl ist die GNU General Public License (GPL) und er erhofft sich Hilfe vor allem beim Code-Review, den Reports oder komplizierten Formlaren.

Hier bietet sich also die Möglichkeit, Menschen jenseits der digitalen Spaltung mit relativ geringem Aufwand zu helfen. Wer gerne mehr machen möchte, kann sich u.A. an die ASA [8] wenden oder auch in Kontakt mit dem "Digital Bridges" Verein [15] in Kontakt treten, die u.A. aus Ganesha's Project [16] hervorgegangen sind, das in Brave GNU World, Ausgabe 32 [17] vorgestellt wurde.

UNO-Gipfel zur Informationsgesellschaft

Zum Weltgipfel zur Informationsgesellschaft, der sich u.A. mit der Überwindung der digitalen Spaltung beschäftigt, ist es in diesem Zusammenhang kein weiter Schritt mehr. Was der Weltgipfel ist, wurde ja bereits in Ausgabe 53 der Brave GNU World [18] vorgestellt, seit dem Intersessional Meeting in Paris hat sich jedoch viel getan.

In Genf fand vom 8. bis 26. September 2003 die dritte Vorbereitungskonferenz (PrepComIII) statt, bei der hunderte von Delegierten, Wirtschaftsvertretern und Zivilgesellschaftern zusammenkamen, um die Dokumente für den eigentlichen Gipfel Anfang Dezember in Genf fertigzustellen. Das gelang nicht so ganz.

Tatsächlich stellte sich gegen Ende der zweiten Woche Situation ein, in der konstruktive Diskussion nicht mehr möglich war, da einige Delegierten auf ihren Positionen verharrten und sich nicht mehr aufeinander zubewegten. Das mag auch daran liegen, daß die Delegierten vor Ort zum Teil nicht über ausreichende Handlungsvollmacht verfügten und der Prozeß der Rücksprache mit den Regierungen die Dinge nicht einfacher macht. Dies war aber kaum der einzige Grund.

So stehen sich im Bereich der Internetverwaltung beispielsweise die Regierungen des Nordens und Südens relativ unversöhnlich gegenüber. Auch im Bereich von Sicherheit gibt es die bekannten Auseinandersetzungen, bei denen sich die USA plötzlich in einem Boot mit China finden, die für "Information Security" kämpfen, einem Begriff, der oft als Euphemismus für Zensur herhalten muß, während die von den Zivilgesellschaften geforderte "Network Security" die Sicherheit und Verläßlichkeit der Netze einfordert.

Und auch wenn der Ruf nach offenen Standards von den Regierungen geteilt wird, erschöpfen sich die Dokumente in Regelungen, die proprietäre Pseudostandards akzeptieren. Hier hat beispielsweise die Arbeitsgruppe zu Patenten, Copyrights und Trademarks (PCT) [19] der Zivilgesellschaften klargestellt, daß Standards nur dann wirklich frei sein können, wenn sie "freely implementable" und "publicly documented" sind.

Im Bereich Freier Software ist die Situation ebenfalls schwierig und höchst dynamisch. So wird beispielsweise durch Begriffe wie "technologische Neutralität" versucht, zu suggerieren, die Entscheidung zwischen proprietärer und Freier Software sei eine technologische und keine Aufgabe der Politik. Dies wird von vielen Regierungsdelegierten relativ unreflektiert übernommen, obwohl dies effektiv bedeutet, demokratisch legitimierte Macht im Bezug auf Volkswirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft abzugeben.

Die "Freiheit der Wahl" wird ebenfalls als Pseudo-Argument gegen eine Besinnung auf die Vorteile Freier Software ins Feld geführt, so als wäre es nicht Aufgabe der Politik, gesellschaftlich nützliche Tätigkeit zu fördern und gesellschaftlich schädliche Tätigkeit zumindest nicht zu belohnen.

Dabei schien es während der PrepComIII, als ob nicht einmal manche Vertreter der Zivilgesellschaften wirklich verstanden hatten, worum es bei Freier Software geht, bzw. welche Bedeutung sie für die Themen des Gipfels hat. Aus diesem Grund habe ich am letzten Tag der PrepComIII mit dem Schreiben eines Artikels begonnen, der nach einigem Gegenlesen speziell auch durch Karen Banks von der Association for Progressive Communications (APC), einer der aktivsten Zivilgesellschaften im Gipfelumfeld, mittlerweile online [20] ist und sicherlich auch in anderen Zusammenhängen nützlich sein könnte.

Noch mehr PrepComs

Nachdem also am letzten Freitag der PrepComIII absehbar war, daß es keine Einigung mehr geben würde, wurden recht hastig zwei weitere Vorbereitungskonferenzen einberufen, die als Fortsetzung der PrepComIII PrepComIIIa und PrepComIIIb genannt wurden, denn so konnten die Formalien und Regeln für die PrepComIII übernommen werden.

PrepComIIIa findet statt vom 10. bis 14. November 2003 (kurz nach dem Schreiben dieser Kolumne), PrepComIIIb wird direkt vor dem Gipfel vom 7. bis 9. Dezember 2003 stattfinden. Da zum Gipfel u.A. die Teilnahme von Bundeskanzler Gerhard Schröder mittlerweile bestätigt ist, steht zu hoffen, daß die Dokumente dann fertig sein werden.

Es gibt auch gute Nachrichten

Doch es gibt auch Gutes zu berichten. So funktioniert die Zusammenarbeit der Zivilgesellschaften besser denn je -- auch wenn es für die UNO vielleicht auch möglich gewesen wäre, dies unter Einsatz geringerer Resourcen und mit weniger Regierungsvertretern zu erreichen.

Speziell in Europa jedoch zeichnet sich zunehmend ab, daß der Gipfel auch zu neuen Formen des Dialogs zwischen Regierungen und Zivilgesellschaften führt. So hat der European Caucus (die europäische Versammlung) der Zivilgesellschaften während der PrepComIII enger mit der EU zusammengearbeitet, als dies je zuvor der Fall war und es gibt begründeten Anlaß zur Hoffnung, daß dies während der PrepComIIIa fortgesetzt werden kann.

Generell lohnt es sich, regelmäßig einen Blick auf die FSF Europe Projektseite zum Thema zu werfen, [21] auf der nicht nur die Mailinglisten des European Caucus und der PCT Arbeitsgruppe, sowie andere Informationsquellen wie z.B. die exzellente, von Ralf Bendrath betreute Seite der Böll-Stiftung zum Gipfel verlinkt sind, sondern auch Dokumente aus diesem Zusammenhang, wie z.B. das Statement, daß die PCT Gruppe vor der UN Plenarversammlung gemacht hat.

Zum Ende noch ein paar Gedanken zu dem Thema, daß in dieser Kolumne auch schon als "industrielle Informationskontrolle" thematisiert wurde, dem sogenannten "geistigen Eigentum".

Begrenzte Geistige Monopole

Der Begriff des "geistigen Eigentums" ist sehr problematisch und sollte eigentlich nur in Sätzen benutzt werden, wo es darum geht, zu erklären, warum der Begriff schlecht ist.

Für einen kritisch denkenden Menschen muß die Frage danach, was es bedeutet, einen Gedanken zu "besitzen" automatisch zu einem Problem führen, welches Ähnlichkeiten aufweist mit Schrödingers Katze oder der Frage, ob es ein Geräusch gibt, wenn ein Baum im Wald umfällt, es aber niemand hört.

Der Begriff des geistigen Eigentums macht also offensichtlich keinen Sinn, zumal er dem kontinentaleuropäischem Begriff des Naturrechts des Autors widerspricht, bei dem es sich eben nicht um ein vollständig veräußerliches Gut handelt.

Dennoch wird der Begriff so gut wie nicht hinterfragt. Menschen verwenden ihn selbstverständlich und ohne Reflexion. Dabei transportiert der Begriff nicht nur ein Verständnis von Gedanken und Ideen, das eine Behandlung als Eigentum suggeriert. Er stellt auch Menschen, die ihr Wissen mit anderen Teilen, auf dieselbe moralische Stufe wie Gewaltverbrecher und Mörder ("Raubkopie" "Pirat").

Darüberhinaus bringt der Begriff keinen wissenschaftlichen Gewinn, da er unterschiedlichste Rechtsgebiete in einen Topf wirft und damit suggeriert, diese sollten gleich behandelt werden.

Dennoch scheint es, daß der Bedarf nach einem umfassenden Oberbegriff existiert und es gibt eine Gemeinsamkeit, die alle diese normalerweise als "geistiges Eigentum" bezeichneten Bereiche verbindet.

Jedes von ihnen hat als Zweck und Funktion, ein begrenztes geistiges Monopol zu errichten. Die Begründung dieser Monopolisierung war dabei seit jeher der Nutzen der Gesellschaft.

Daher mache ich den Vorschlag, statt von "geistigem Eigentum" (GE) nur noch von "geistigen Monopolen" (GM) bzw. "begrenzten geistigen Monopolen" (BGM) zu sprechen. Im Englischen also anstatt "Intellectual Property Rights" (IPR) von "Limited Intellectual Monopolies" (LIM).

Diese Begriffe benennen die Dinge eindeutig mit dem was sie sind und tun, sind nicht länger oder komplizierter als die im Moment verwendeten Begriffe und beinhalten keine derart fragwürdige Ideologie.

Genug

Damit soll es für diesen Monat genug sein, wie immer hoffe ich, daß zahlreiche Fragen, Kommentare und Anregungen per Email [1] eintreffen werden -- speziell auch zu Projektvorstellungen, denn ohne die Mitarbeit der Leser und Autoren ist die Brave GNU World nicht möglich.

Bis zum nächsten Mal.

Infos

[1] Ideen, Anregungen, Kommentare an die Brave GNU World: address@hidden
[2] Homepage des GNU-Projektes: http://www.gnu.org/
[3] Homepage von Georg's Brave GNU World: http://brave-gnu-world.org
[4] "We run GNU" Initiative: http://www.gnu.org/brave-gnu-world/rungnu/rungnu.de.html
[5] Screenhack Homepage: http://www.ies.waw.pl/~arturs/screenhack/
[6] RenderMan: http://www.renderman.org
[7] Aqsis Homepage: http://www.aqsis.com
[8] ASA Homepage: http://www.asa-programm.de
[9] CRP Homepage: http://www.crp-bangladesh.org
[10] BDLUG Homepage: http://www.bdlug.org
[11] Freie bengalische Zeichensaätze: http://www.nongnu.org/freebanglafont
[12] Bengalische GNU/Linux Übersetzungen: http://www.bengalinux.org
[13] Artikel zu Freier Software: http://www.liberalislam.net/linux.html
[14] GCDB Homepage: http://sourceforge.net/projects/gcdb
[15] Digital Bridges:http://www.dbev.de
[16] Ganesha's Project: http://www.ganeshas-project.de
[17] Brave GNU World Ausgabe 32: http://brave-gnu-world.org/issue-32.de.html
[18] Brave GNU World Ausgabe 53: http://brave-gnu-world.org/issue-53.de.html
[19] Zivilgesellschaftliche PCT Arbeitsgruppe: http://www.wsis-pct.org
[20] Freie Software Referenz http://fsfeurope.org/projects/wsis/fs.html
[21] WSIS Projektseite: http://fsfeurope.org/projects/wsis/

Der Autor

[Ein Foto von Georg Greve] Dipl.-Phys. Georg C. F. Greve beschäftigt sich seit etlichen Jahren mit Freier Software und kam früh zu GNU/Linux. Nach Mitarbeit im GNU-Projekt und seiner Aktivität als dessen europäischer Sprecher hat er die Free Software Foundation Europe initiiert, deren Präsident er ist. Mehr Informationen finden sich unter http://gnuhh.org.

Copyright (C) 2003 Georg C. F. Greve and Linux-Magazin

Permission is granted to make and distribute verbatim copies of this transcript as long as the copyright and this permission notice appear.

Die monatliche GNU-Kolumne

Brave GNU World

von Georg C. F. Greve


Diese Kolumne berichtet aus der Perspektive von GNU-Projekt und FSF über Projekte und aktuelle Geschehnisse aus dem Umfeld Freier Software und versucht, Einblicke in die zugrundeliegende Philosophie zu vermitteln. In dieser Ausgabe: JaxoDraw, Mom, Studie zu "Hacker-Ethik", Weltgipfel zur Informationsgesellschaft, Münzschlitze in Hotelzimmern?

Willkommen zu einer weiteren Ausgabe der Brave GNU World, die auch wieder zum Teil des UNO-Gipfels zur Informationsgesellschaft stehen wird. Da allerdings der Gipfel Rahmenbedingungen auf Jahre bis Jahrzente hinaus definieren soll, ist dies durchaus angebracht und kann helfen, den Prozess auf dem Weg zum Gipfel zu dokumentieren.

Um die technische Seite jedoch nicht zu vernachlässigen, sollen zum Einstieg zunächst zwei Projekte vorgestellt werden.

JaxoDraw

Thomas Theußl hat den Hinweis auf das erste Projekt dieser Kolumne per Email [1] gegeben. Es handelt sich dabei um JaxoDraw, [5] ein Projekt zur interaktiven Erstellung von Feynman-Diagrammen.

Da der Großteil der Leser vermutlich nicht mit dem amerikanischen Physiker Richard Feynman oder den nach ihm benannten Diagrammen vertraut ist, hier eine kurze Einführung. Richard Feynman war einer der einflußreichsten Physiker des 20ten Jahrhunderts. Für seine Arbeit auf dem Gebiet der Quantenelektrodynamik erhielt er 1965 den Nobelpreis gemeinsam mit Sin-Itiro Tomonaga und Julian Schwinger. Der erste Kontakt für Studenten der Physik sind häufig seine "Feynman Lectures on Physics", eines der besten und eingänglichsten Werke zur Vertiefung des physikalischen Verständnisses.

Feynman-Diagramme werden im Bereich der Quantenfeldtheorie eingesetzt und erlauben es, einige recht komplizierte Berechnungen der Teilchenphysik auf Amplitudendifferenzen zu reduzieren. Außerdem dienen sie dem Verständnis von Vorgängen bei Interaktionen zwischen Teilchen.

Unter Verwendung des Axodraw [6] Pakets von J.A.M. Vermaseren, für das JaxoDraw eine grafische WYSIWYG Benutzeroberfläche bereitstellt, erlaubt JaxoDraw die grafische, mausorientierte Erstellung von solchen Feynman-Diagrammen. Feinbearbeitung der Diagramme über die Tastatur ist dabei selbstverständlich auch möglich.

Die interne Datenhaltung und -speicherung von JaxoDraw geschieht mittels eines XML-basierten Formats und Ausgabe ist möglich als (encapsulated) Postscript, welches nach PDF konvertiert werden kann, sowie als LaTeX [7] Code. Speziell die Ausgabe nach LaTeX war eine wesentliche Motivation für die JaxoDraw Autoren Daniele Binosi und Lukas Theussl, damit die Diagramme einfach in wissenschaftliche Arbeiten eingebettet werden können.

Das LaTeX Satzsystem erfreut sich in den Naturwissenschaften und ganz speziell auch der Physik seit vielen Jahren großer Beliebtheit erfreut wegen seiner Flexibilität und Effizienz. Bei Diagrammen allerdings kann es manchmal ohne WYSIWYG schwierig sein, das gewünschte Resultat zu erzielen, weshalb JaxoDraw den Bedürftnissen der Anwender sehr entgegenkommen dürfte.

Geschrieben wurde JaxoDraw, wie der Name bereits suggeriert, in Java. Das bietet den Vorteil der weitgehenden Plattformunabhängigkeit, leider jedoch ist es von der proprietären Java-Implementation von SUN abhängig, was die üblichen Probleme mit sich bringt. JaxoDraw selber wird als Freie Software unter der GNU General Public License (GPL) veröffentlicht.

Obwohl die Autoren sehr deutlich hervorheben, daß dies keinesfalls zwingend oder notwendig ist, regen sie Nutzer von JaxoDraw zudem dazu an, die entsprechende wissenschaftliche Veröffentlichung [8] zu zitieren. Dies ist eine sehr interessante Anknüpfung an die Gedanken von Ausgabe 54 [9] bezüglich Freier Software und Wissenschaft, zeigt es doch praktisch, wie Freie Software selbst zur wissenschaftlichen Veröffentlichung wird.

Auch das nächste Projekt, im Moment noch ein Geheimtip, beschäftigt sich mit der Veröffentlichung, dem Satz von Texten, richtet sich aber ausdrücklich eher nicht an Wissenschaftler.

Mom

Der wohl häufigste Kontakt der meisten Nutzer mit GNU groff [11] ist in Form der Formatierung von Manpages, die es mittels des Aufrufs "man <Befehl>" erlauben, Hilfe zur Benutzung von den meisten Kommandos eines unixartigen Systems zu erhalten.

Wenigen ist darüberhinaus bewußt, daß groff ein vollwertiges Text-Satzssystem wie LaTeX oder lout ist, mit dem typographisch professionelle Postscript-Dokumente erzeugt werden, so z.B. die O'Reilly Perl-Einführung. Dabei benötigt groff allerdings nur einen Bruchteil der Resourcen von LaTeX -- groff kann ohne größere Schwierigkeiten auf einem 386 mit 8 Megabyte RAM und 250 Megabyte Festplatte eingesetzt werden.

Diese Resourcenfreundlichkeit von GNU/Linux und groff war es auch, die Peter Schaffter, einen kanadischer Schriftsteller, der nach eigenem Bekunden wie viele seiner Kollegen in permanenter Armut lebt, dazu veranlasst hat, sich für diese Kombination zu entscheiden. Seine Computer sind zumeist Maschinen, die ihm überlassen werden und daher mehrere Generationen hinter dem aktuellen Stand der Technik, oder, wie er es ausdrückt, "resource challenged".

Allerdings zeichnet sich groff für die meisten Benutzer nicht unbedingt durch einfache Benutzung aus, da die Kommandos zumeist sehr knapp, nicht immer typographisch intuitiv und (laut Peter Schaffter) recht "geeky" sind. Aus diesem Grund begann er mit der Arbeit an Mom. [12]

Ähnlich wie LaTeX auf TeX aufsetzt, ist Mom ist ein Makroset für groff, von dem eine einfache Syntax zur Verfügung gestellt wird. Gleichzeitig erlaubt es eine sehr feine, anderen DTP Lösungen nicht nachstehende, typographische Kontrolle über das erzeugte Dokument erlaubt, ohne dabei Kenntnisse der kryptischen troff/groff Syntax zu erfordern.

Mom's Zielgruppe sind Setzer, die von der troff/groff Syntax bisher abgeschreckt wurden, Autoren, die einfach und schnell ihre Texte optisch schön setzen möchten, und Neueinsteiger, die Wert legen auf eine gut dokumentierte Lösung.

Tatsächlich hat sich Peter Schaffter große Mühe mit der Dokumentation gegeben, da er davon überzeugt ist, gute Dokumentation ist eine essentielle Komponente guter Programmentwicklung, eine Aussage, die nicht oft genug wiederholt werden kann. Die Dokumentation ist als Freie Dokumentation unter der GNU Free Documentation License (GFDL) im HTML-Format verfügbar und dank vieler Kreuzverweise und Verzicht auf optischen Ballast mit beliebigen Browsern gut lesbar.

Florian Cramer, der die Brave GNU World Standardfragen zu Mom persönlich ausgefüllt hat, hebt vor Allem drei Gründe hervor, die für den Einsatz von Mom sprechen. Erstens die einzigartige Kombination von strukturierter Dokumentenverarbeitung in Kombination mit einer hervorragenden manuellen Layout-Kontrolle. Zweitens den deutlich geringeren Resourcenbedarf und drittens die deutlich geringere Komplexität im Vergleich zu LaTeX, die individuelle Anpassungen sehr viel einfacher machen.

Zu den Beschränkungen des Projekts gehört, daß es sich -- anders als LaTeX -- eher nicht für den wissenschaftlichen Einsatz eignet, da es beispielsweise keine Kreuzreferenzen, keine Indizes oder numerierten Abbildungen zur Verfügung stellt. Außerdem ist die Anzahl der Ausgabeformate begrenzt. Mom ist auf Ausgabe nach PostScript (und daher auch PDF) angelegt, durch die "grotty" und "grohtml" Kommandos können grundsätzlich auch reiner Text und HTML ausgegeben werden, aber das ist eigentlich nicht vorgesehen.

Ursprünglich geschrieben von einem kanadischen Schriftsteller für den Eigenbedarf, bietet Mom genau das, was Peter Schaffter brauchte: Eine einfache und dennoch umfangreiche Möglichkeit, Texte gut aussehen zu lassen.

Florian Cramer geht sogar noch etwas weiter und stellt die Frage in den Raum, warum die XML/SGML Systeme alle nur TeX und nicht groff für die Printausgabe verwenden; nach seinem Dafürhalten wäre groff eine großartige Ausgabemöglichkeit für XML basierte Formate, wie O'Reilly mit "Programming Perl" über DocBook SGML und groff bereits bewiesen hat.

Für ihn jedenfalls ist Peter Schaffter einer der unbesungenen Helden Freier Software, und ihn hat besonders beeindruckt, wie offen und schnell auf seinen Vorschlag (automatische Generierung eines Inhaltsverzeichnisses) reagiert wurde. Wer Peter Schaffter wegen Mom kontaktieren möchte, sollte dabei übrigens sicherstellen, die Worte "groff" oder "mom" im Betreff der Email zu haben, da sein Spamfilter alle anderen Mails aussortiert.

Doch auch wenn bei Bedarf noch ein paar kleinere Sachen hinzukommen dürften, ist Mom mittlerweile als stabil eingestuft und Peter Schaffter möchte es gerne den anderen Benutzern überlassen, zu entscheiden, welche Erweiterungen sinnvoll und notwendig sind.

Die Entscheidung, Mom selbst wieder als Freie Software unter der GNU General Public License (GPL) herauszugeben, fiel übrigens sehr bewußt. Nicht nur als Dank und Rückgeschenk, sondern auch, weil er sich den gesellschaftlichen Hintergründen Freier Software verbunden fühlt.

Studie zu "Hacker-Ethik"

Tatsächlich gibt es zunehmend Versuche auch von "klassischer" Seite, sich dem Phänomen Freier Software zu nähern. In verschiedensten Fachbereichen von Wirtschaft bis Soziologie finden sich mittlerweile Diplomarbeiten und Dissertationen zum Thema. So auch die Dissertation "Hacker-etik - en filosofisk undersøgelse" ("Hacker Ethik - eine philosophische Untersuchung") [12] von Aputsiaq Niels Janussen.

Obwohl er bereits Freie Software und GNU/Linux kannte, hatte er sich bis zum Sommer 2002 nur wenig mit den Hintergründen auseinandergesetzt. Dann allerdings wurde -- speziell auch durch die Artikel von Richard Stallman -- sein Interesse für die philosophischen Hintergründe des GNU-Projekts [13] geweckt.

Basierend auf dem Buch von Stephen Levy ("Hackers", 1984) begann er, sich ernshaft mit dem Phänomen auseinanderzusetzen und auch die konstruktive Auseinandersetzung mit "The Hacker Ethic" von Pekka Himanen ist Teil seiner Dissertation.

Die Arbeit wurde am 7. Juli 2003 eingereicht, ist also beendet, sie ist allerdings als freie Dokumentation unter der GNU Free Documentation License (GFDL) verfügbar und Aputsiaq würde eine Übersetzung vom Dänischen ins Englische ausdrücklich begrüßen. Speziell, da er mittlerweile zu Arbeiten angefangen hat und 2004 vermutlich nach Grönland ziehen wird.

Als Anekdote steuerte er übrigens bei, daß bei seinen Diskussionen mit Richard Stallman dieser der Existenz einer Hacker-Ethik als Solcher mit Skepsis begegnete. Das letzte Wort im Bezug auf die Fragen der Wissens- und Informationsgesellschaft ist sicherlich noch nicht gesprochen.

Weltgipfel zur Informationsgesellschaft (WSIS)

Über den Weltgipfel zur Informationsgesellschaft wurde ja bereits in den Ausgaben 53 [14] und 56 [15] der Brave GNU World berichtet, nun jedoch steht der erste Teil des eigentlichen Gipfels unmittelbar bevor. Und auch wenn Kanzler Schröder, der ursprünglich seine Teilnahme angekündigt hatte, wegen einer Sitzung des Vermittlungsausschußes die Teilnahme an Minister Clement delegieren mußte, geht es hier doch um Fragen auf höchster Ebene.

So blieben auch während der hastig einberufenen PrepComIIIa die Fragen nach Menschenrechten, Finanzierung, begrenzten geistigen Monopolen (speziell Copyright und Patente) und Freier Software strittig. Im Bezug auf Freie Software zeichnete sich zwar ein Kompromiss ab, jedoch machten die USA ihre Zustimmung zu diesem Kompromiss abhängig von der Akzeptanz des Paragraphen zu begrenzten geistigen Monopolen.

Die Gruppe zu diesem Thema traf sich mehrere Abende hintereinander um 19:00 "open ended" zu Gesprächen und vertagte sich üblicherweise gegen 22:30 ergebnislos. Während dieser 3,5h geschlossenen Verhandlungen nach einem langen, ermüdenden Konferenztag ohne ausreichende Versorgung mit Nahrung oder Frischluft zeigte sich wenig Kompromissbereitschaft.

So wurde der zweite Abend eingeleitet von Statements der "Motion Picture Association of America" (MPAA), bevor diese, wie auch auch die Vertreterin der "World Intellectual Property Organization" (WIPO), den Raum verlassen mußte.

Aus dem deutschen Justizministerium wurde eigens ein Fachmann für diese Themen zur Konsultation eingeflogen und es wurde in Bilateralen, sowie Multilateralen Gesprächen versucht, einen Konsens zu finden. Dieser wird wohl so aussehen müssen, daß die Balance zwischen der Monopolisierung und Verfügbarmachung von Wissen essentiell ist, jedoch weder impliziert werden soll, daß die Balance im aktuellen System bestünde, noch, daß sie nicht bestünde.

Nach letzten Informationen drehen sich die Verhandlungen weiter um diesen Punkt. Den Vorschlag der Zivilgesellschaften, der diese Quadratur des Kreises tatsächlich leistet, wollte niemand offiziell einbringen, da man fürchtete, durch das Einbringen neuer Texte eher einen Rückschritt zu machen.

Interessant könnte in diesem Zusammenhang noch der Artikel "Fighting Intellectual Poverty -- Who owns and controls the information societies?" [16] sein, der für eine Publikation der Heinrich Böll Stiftung anläßlich des Gipfels entstanden ist.

Essentielle Maßstäbe

Die Zivilgesellschaft, also der Teil des Gipfels, der weder Regierung noch Wirtschaft oder UNO-nahe Organisation ist, hat sich mittlerweile zunehmend darauf konzentriert, die eigenen Prozesse voranzubringen. So wurde während der PrepComIIIa das Dokument verfeinert, das ursprünglich als "nicht verhandelbare Punkte" ("non negotiables") erstellt wurde.

Auf vier Seiten werden in diesen "Essentiellen Maßstäben der Zivilgesellschaft" ("Civil Society Essential Benchmarks") [17] die zentralen Punkte angesprochen und die aus zivilgesellschaftlicher Sicht wegweisenden Entscheidungen dargestellt. So kompakt existierte bisher kein umfassendes Dokument -- und auch die zivilgesellschaftliche "Visionäre Deklaration", die als Gegenentwurf zur Deklaration des Regierungsgipfels im Entstehen ist, wird sich daran messen müssen.

Doch auch innerhalb der Zivilgesellschaften besteht weiterhin großer Diskussionsbedarf und die Linien ziehen sich dabei durch verschiedenste Gebiete.

So ist bei Internet Governance noch immer eine Diskrepanz zwischen dem Norden, der mehr um Unabhängigkeit von staatlicher Kontrolle bemüht ist, und dem Süden, für den staatliche Kontrolle eine wünschenswerte Stabilität verheißt, zu verzeichnen.

Auch bei Fragen der begrenzten geistigen Monopole herrscht noch Diskussionsbedarf, denn während gerade einige Organisationen für die Rechte der Ureinwohner den Schutz ihres kulturellen Erbes durch Ausweitung von Monopolrechten zu erreichen suchen, steht dies in Konflikt zu großten Teilen des Planeten, die sich durch eine Neuausrichtung der Monopole endlich Zugriff auf Wissen und damit eine Überwindung der digitalen Spaltung erhoffen.

Und selbst bei grundsätzlich eher unstrittigen Fragen innerhalb der Zivilgesellschaft herrscht weiterhin Diskussionsbedarf zwischen Süd/Nord, Frau/Mann, Jung/Alt und den verschiedenen Disziplinen. Denn es gibt auch innerhalb der Zivilgesellschaft viele, die beispielsweise noch nicht verstanden haben, warum Software eine neue Kulturtechnik ist und darum Freie Software die Antwort auf wichtige gesellschaftliche Fragen gibt.

Die persönliche Lieblingsaussage des Autors zu diesem Thema stammt dabei aus der PrepComIIIa Arbeitsgruppe zum "Freie Software Paragraphen", als eine Vertreterin der U.S. Regierungsdelegation bestätigte, es handele sich bei der Wahl zwischen proprietärer und Freier Software um eine politische, keine technische Entscheidung, doch dies (der Gipfel) sei nicht das richtige Gremium, um politische Entscheidungen zu treffen.

Münzschlitze in Hotelzimmern?

Gegen Ende soll noch eine Absurdität angesprochen werden, die in letzter Zeit massiv um sich greift und der speziell in Hotels und Flughäfen oft zu begegnen ist: Drahtlose Internetzugänge für lächerlich hohe Gebühren.

Die Lobby eines Hotels oder die Lounge eines Flughafens mit drahtlosem Internet auszurüsten ist in Europa im Normalfall mit einer Investition im Bereich von maximal 500 EUR und monatlichen Kosten um die 30 EUR (DSL Flatrate) verbunden.

Tatsächlich finden sich zunehmend Hotels und Flughäfen, wo drahtlose Netzwerke angeboten werden. Doch üblicherweise zu Preisen von 3-10 EUR pro halber Stunde Internet. Diese zu bezahlen mag dem Reisenden die Sache wert sein, allerdings stellt die Bezahlung die nächste Hürde dar.

Üblicherweise sind die Netze als offene Netzwerke konzipiert, allerdings wird der erste HTML-Zugriff auf eine spezielle Seite zum Bezahlen umgeleitet. Glücklich, wer hier einfach nur per Kreditkarte zahlen kann -- denn oft gibt es ausschließlich Prepaid-Karten, welche an der Lobby erworben werden können.

Diese gehen aber gerne mal aus, oder sind garnicht verfügbar. Persönliche Erfahrung lehrt, daß beispielsweise auf einem bestimmten schweizer Flughafen zwei Anbieter miteinander im Clinch liegen und daher das finden der richtigen Karten Glückssache ist.

Hat man die richtige Karte auftreiben können, ist das üblicherweise noch immer nicht das Ende der Probleme, da die Anbieter erfahrungsgemäß nicht in der Lage sind, stabile Webseiten zu entwerfen, die mit allen Browsern funktionieren. _javascript_ ist da noch die am wenigsten proprietäre Technologie. Daher kann es sein, daß Seiten trotz Freischaltung nicht verfügbar sind oder sich die Karten schnell selbst entwerten.

In einem Fall -- diesmal Turin, Italien -- funktionierte das Abstellen des Minutenzählers nur über ein Popup-Window, für das ein Browser beliebige Popups und Cookies von beliebigen Servern akzeptieren mußte. Unabhängig davon, daß die Benutzung also die Schaffung einer Sicherheitslücke auf dem eigenen Rechner erforderlich macht, wurde darüber selbstverständlich vorher nicht informiert.

Angesichts der verschwindend geringen Kosten für Einrichtung und Betrieb eines drahtlosen Internetzugangs beispielsweise im Vergleich zur Installation von Wasser- und Sanitäranlagen, kann also erwartet werden, demnächst in Hotels an der Toilettenspülung, der Dusche und dem Wasserhahn einen Münzschlitz zu finden.

In manchen Fällen wird dieser keine handelsübliche Währung akzeptieren, sondern spezielle Token erforderlich machen, die manchmal an der Rezeption zu erwerben sind -- manchmal jedoch auch nur an der Tankstelle gegenüber, die Abends ab 20:00 geschlossen ist.

Allerdings leben wir ja bereits im Sanitärzeitalter, das Informationszeitalter scheint angesichts solcher Entwicklungen jedoch noch sehr weit weg.

Gutes neues Jahr

Damit genug der Brave GNU World für dieses Jahr, ich wünsche allen Lesern ein gutes Jahr 2004 und hoffe, ihr werdet nicht mit Anregungen, Kommentaren, Ideen und Projektvorschlägen an die übliche Adresse [1] sparen.

Infos

[1] Ideen, Anregungen, Kommentare an die Brave GNU World: address@hidden
[2] Homepage des GNU-Projektes: http://www.gnu.org/
[3] Homepage von Georg's Brave GNU World: http://brave-gnu-world.org
[4] "We run GNU" Initiative: http://www.gnu.org/brave-gnu-world/rungnu/rungnu.de.html
[5] JaxoDraw Homepage: http://altair.ific.uv.es/~JaxoDraw/home.html
[6] Axodraw Homepage: http://www.nikhef.nl/~form/FORMdistribution/axodraw/
[7] LaTeX Homepage: http://www.latex-project.org/
[8] "JaxoDraw: A graphical user interface for drawing Feynman diagrams" Studie: http://arxiv.org/abs/hep-ph/0309015
[9] Brave GNU World - Ausgabe #54: http://brave-gnu-world.org/issue-54.de.html
[10] GNU GROFF Homepage: http://www.gnu.org/software/groff/groff.html
[11] Mom Makroset: http://www.ncf.ca/~df191/mom.html
[12] "Hacker Ethics - a philosophical investigation" (Dänisch) http://www.hacker-etik.dk
[13] GNU-Projekt: http://www.gnu.org
[14] Brave GNU World - Ausgabe #53: http://brave-gnu-world.org/issue-53.de.html
[15] Brave GNU World - Ausgabe #56: http://brave-gnu-world.org/issue-56.de.html
[16] "Fighting intellectual poverty" http://fsfeurope.org/projects/wsis/issues.html
[17] Civil Society Essential Benchmarks: http://fsfeurope.org/projects/wsis/cs-benchmarks.html

Der Autor

[Ein Foto von Georg Greve] Dipl.-Phys. Georg C. F. Greve beschäftigt sich seit etlichen Jahren mit Freier Software und kam früh zu GNU/Linux. Nach Mitarbeit im GNU-Projekt und seiner Aktivität als dessen europäischer Sprecher hat er die Free Software Foundation Europe initiiert, deren Präsident er ist. Mehr Informationen finden sich unter http://gnuhh.org.

Copyright (C) 2003 Georg C. F. Greve and Linux-Magazin

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Georg C. F. Greve                           <address@hidden>
Brave GNU World                            (http://brave-gnu-world.org)
Free Software Foundation Europe              (http://www.fsfeurope.org)

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